Wie es weitergeht.

Interview mit Andreas Klauser, Vorstandsvorsitzender der PALFINGER AG seit 2018

Sie haben im Juni 2018 den Vorstandsvorsitz bei PALFINGER übernommen. ​​​​​​​
Wie waren Ihre ersten Eindrücke aus der Innensicht?

PALFINGER agiert in einem sehr komplexen Umfeld. Es war und ist beeindruckend, wie breit PALFINGER aufgestellt ist, sowohl bei den Produkten als auch in Bezug auf regionale Kundenanforderungen. Das gilt es aber auch fokussiert zu managen. Begeistert bin ich auch vom Team, dem Family Spirit im Unternehmen und von der Kompetenz der Mitarbeiter. Auch das Wachstum der vergangenen Jahre hat mich beeindruckt: PALFINGER ist wirklich sehr rasch von einem exportorientierten Unternehmen zu einem Global Player gewachsen.

Welche Veränderungen hatten Priorität für Sie?

Nach diesem Wachstumsschub benötigen wir jetzt eine Phase der Konsolidierung, um Synergien in Forschung und Entwicklung und in der Produktion zu realisieren. Aus der engen, abgestimmten Vernetzung der einzelnen Bereiche der PALFINGER Gruppe werden wir einen schlagkräftigen Konzern formen, der flexibel, agil und effizient auf Markt- bzw. Kundenanforderungen reagieren kann. Ich sehe die neue Organisation als Basis für neues Wachstum, aber auch als proaktive Vorbereitung auf die zu erwartende Verlangsamung der Konjunktur und volatile Märkte.

Aus diesem Grund war die rasche Entwicklung und Implementierung der GLOBAL PALFINGER ORGANIZATION (GPO) das wichtigste Thema der ersten Monate: Nach einem erfolgreichen Kick-off Mitte September folgte zu Jahresbeginn 2019 die Umsetzung der neuen Organisation. Diese Transformation war für PALFINGER die größte Veränderung in den vergangenen zwanzig Jahren. Die neue Organisationsstruktur wurde von unseren Führungskräften im Team mitgestaltet, nicht von einem Berater aufgesetzt.

Wir fokussieren uns auf Regionen und Produktgruppen. Sämtliche Funktionen sind in unserer neuen globalen Struktur abgebildet und die Ziele sind in Form von eindeutigen Kennzahlen definiert. Wir analysieren monatlich die Zielerreichung, somit können wir rasch und flexibel auf Schwankungen oder neue Kundenanforderungen reagieren.

Die neue Organisationsstruktur wurde von unseren Führungskräften im Team mitgestaltet, nicht von einem Berater aufgesetzt.
Wie schätzen Sie die Marktbedingungen für die kommenden Jahre ein?

Das Wachstum der Konjunktur wird sich sicherlich wieder verlangsamen, vor allem aber wird die Volatilität einzelner Märkte zunehmen. Die Entwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche wird auch innerhalb der Regionen unterschiedlich sein, das zeichnet sich in Europa bereits heute ab.

Es ist jedoch derzeit kein Downturn in Sicht. In den für uns wichtigen Märkten Deutschland, Nordamerika und GUS verzeichnen wir nach wie vor Zuwächse. In Südamerika erwarten wir neues Wachstum nach der langen Krise, und das Joint Venture in China wächst kontinuierlich. Auch der Ölpreis zeigt – trotz des Rückgangs im Herbst – einen Aufwärtstrend, sodass wir für unser Marinegeschäft eine durchaus positive Zukunft sehen. Wir erwarten für PALFINGER in den nächsten Jahren weiteres organisches Wachstum.

Welche Veränderungen in den Kundenbranchen sehen Sie?

Unsere Kunden erwarten immer mehr Gesamtlösungen aus einer Hand. Das heißt, nicht nur Produkte – die Hardware –, sondern auch Software und Automatisierungstechnik inklusive dem Service. Das bestätigt unseren eingeschlagenen Weg der Digitalisierung, wobei wir verschiedene Themen sehen: einerseits die Kommunikation mit den Händlern und Kunden, also Customer Relationship Management; andererseits den Service, also welche Tools man in Lösungen integriert, vor allem für Predictive Maintenance, und drittens in Hinblick auf Produktinnovationen, also wie wir Daten verwenden können, um in der Forschung und Entwicklung effizienter zu werden.

Die größte Stärke von PALFINGER ist eindeutig die Innovation gepaart mit Zuverlässigkeit.
Wollen Sie künftig an Daten verdienen?

Wir werden Daten vorrangig für den Kundennutzen verwenden und kein Geschäftsmodell aus den gewonnenen Produktdaten machen. Wir streben ein offenes System an, das dem Kunden den Zugriff und die Verwendung seiner Daten ermöglicht, sodass er selbst darüber verfügen kann.

Welche Veränderungen sehen Sie in Zusammenhang mit der digitalen Transformation der Industrie?

Produktseitig ist kurzfristig die größte Herausforderung, die Schnittstelle zwischen den Lkw-Herstellern und unseren Produkten so zu gestalten, dass die Kunden mit einem einheitlichen Datenfluss, mit nur einem Monitor arbeiten können. In Abstimmung mit den Lkw-Herstellern müssen wir möglichst einheitliche Schnittstellen sicherstellen.

Unser Marinegeschäft ist hauptsächlich im Segment der Deckausrüstung positioniert, dort sehe ich auch unverändert unser Wachstumspotenzial.

Auf welche Stärken von PALFINGER bauen Sie?

Die größte Stärke von PALFINGER ist eindeutig die Innovation gepaart mit Zuverlässigkeit. Verbessern werden wir unsere Entwicklungsgeschwindigkeit, die Time-to-market muss kürzer werden. Und wir werden unseren USP besser vermarkten – Vorteile und Nutzen für unsere Kunden stärker hervorheben. Ich wünsche mir, dass wir das lauter und klarer kommunizieren. Die neue GLOBAL PALFINGER ORGANIZATION trägt dazu bei, dass wir noch näher an den Märkten sind, um noch mehr Nutzen für unsere Kunden zu schaffen. Und sie wird uns effizienter machen, vor allem in der Planung und Steuerung des Vertriebs, um schnellst- und bestmöglich unsere Produkte für unsere Kunden verfügbar zu machen.

Weitere Stärken sind auch unser ausgezeichnetes Produktportfolio im Bereich „Lifting Solutions“ und natürlich unser globaler Produkt- und Produktions-Footprint. Auch der großartige PALFINGER Team Spirit unterscheidet uns vom Mitbewerb.

Welche Potenziale sehen Sie, wie wollen Sie sie realisieren?

Ein Thema ist die weitere Optimierung der Lieferfähigkeit für unsere Produkte vor dem Hintergrund volatiler Märkte. Ein weiteres Potenzial sind Apps und andere Applikationen, die wir entwickeln. Durch den Einsatz von Software werden wir stärker zum Serviceanbieter für „Lifting Solutions“. Auch die Automatisierung, die die Bedienung unserer Produkte erleichtert, wird aufgrund des weiter steigenden Fachkräftemangels eine bedeutende Rolle spielen. Assistenzsysteme und derartige Lösungen werden also immer wichtiger.

Marktseitig sehen wir auch in Zukunft eine stabile Nachfrage aus der Bauwirtschaft, der Logistik und dem Recycling. Ich bin mir sicher, dass wir darüber hinaus aus zusätzlichen digitalen Geschäftsfeldern Umsätze generieren werden.

Mit unserer neuen Struktur können wir schneller auf regionale Kundenanforderungen reagieren und intern parallel durch höhere Effizienz Einsparungen erzielen; also unsere Profitabilität verbessern. Bei vielen Produktgruppen besteht das Potenzial, weiter Marktanteile zu gewinnen. Bei Investitionen wird der Fokus auf der Servicierung und Erneuerung der Produktionsanlagen liegen.

Im Segment SEA läuft derzeit noch die Restrukturierung. Nach deren Abschluss werden wir auch dieses Geschäft an die neue Organisationsstruktur andocken. Davon erwarte ich mir ebenfalls eine signifikante Verbesserung.

Welche Rolle spielt PALFINGER 21st für das zukünftige Wachstum?

Wir haben PALFINGER 21st Ende 2017 etabliert. PALFINGER 21st ist ein eigenständiger Bereich, der uns unabhängig von unseren Strukturen völlig neue Ideen und Herangehensweisen ermöglicht. Kooperationen und Open Innovation spielen dabei eine wichtige Rolle. Der Wiener Standort in dem Startup-Zentrum weXelerate und die Teilnahme an Hackathons fördern den Austausch mit Technologiepartnern. PALFINGER 21st wird durch die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen nicht nur zusätzlichen Umsatz generieren, sondern auch unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten und weiter ausbauen.

PALFINGER 21st ist ein eigenständiger Bereich, der uns völlig neue Ideen und Herangehensweisen ermöglicht.
Wird PALFINGER weiterhin durch Akquisitionen wachsen?

Unser Fokus in den kommenden zwölf bis 18 Monaten liegt klar auf der Integration und den dadurch möglichen Potenzialen, um die Profitabilität zu steigern und das organische Wachstum zu optimieren. Hauptaugenmerk liegt auf Kooperationen und Partnerschaften. Das zukünftige Wachstum wird auch vermehrt aus dem Einsatz neuer Features und Dienstleistungen kommen, deren Technologie wir nicht unbedingt besitzen müssen, um erfolgreich am Markt zu sein.

Welche Ziele haben Sie mittelfristig für den Konzern gesetzt?

Wir wollen organisch bis zum Jahr 2022 den Umsatz auf rund 2 Milliarden Euro steigern. Ich erwarte, dass bis dahin die EBIT-Marge auf 10 Prozent im Durchschnitt über den Konjunkturzyklus steigt. Ebenso sollte der Return on Capital Employed über den Konjunkturzyklus hinweg im Durchschnitt 10 Prozent erreichen.

Das alles soll auf Basis eines nachhaltig erfolgreichen Wachstums passieren. In unserem Geschäftsmodell spielt auch die Nachhaltigkeit eine tragende Rolle. Grundsätzlich muss jeder Mitarbeiter seinen Anteil zum täglichen Mehrwert im Unternehmen beitragen.

Herr Klauser, vielen Dank für das Gespräch und Ihren Ausblick.