„IN DER KRISE ZEIGT SICH DIE STÄRKE.“

Das Geschäftsjahr 2020 ist weltweit durch die COVID-19 Krise geprägt. Wie PALFINGER die Herausforderungen meisterte und sich auf die Zeit nach der Krise vorbereitet, erklären CEO Andreas Klauser, CFO Felix Strohbichler und COO Martin Zehnder.

Was ist die wichtigste Lehre aus 2020?

Andreas Klauser: PALFINGER hat bereits vor 2020 einen Prozess der Veränderungen begonnen. Am sichtbarsten ist das in unserer GLOBAL PALFINGER ORGANIZATION (GPO). Wir haben zu jedem Zeitpunkt und unter allen Umständen die Kommunikation über alle Bereiche hinweg aufrechterhalten. Gerade mit unseren Mitarbeitern, Kunden und Partnern. PALFINGER hat sich selbst am Höhepunkt der Krise als stabiler und verlässlicher Partner erwiesen. Die wichtigste Lehre ist daher, dass wir gemeinsam alle Herausforderungen meistern können.

Martin Zehnder: Dem stimme ich voll und ganz zu. Wir standen im März und April 2020 vor der schwierigen Aufgabe, in einem sehr unsicheren Umfeld die Supply Chain aufrecht zu halten. Das war mit den unterschiedlichen Lockdowns und den Grenzschließungen in ganz Europa keine einfache Angelegenheit. Dass wir so schnell und aufeinander abgestimmt handeln konnten, ist eine Stärke, auf die wir stolz sind und weiter aufbauen können.

Felix Strohbichler: Gerade in dieser unübersichtlichen Situation war es erforderlich und ist es uns gelungen, alle wesentlichen Aspekte zu beachten, Prioritäten zu setzen und zielgerichtet, koordiniert und rasch die richtigen Maßnahmen zu setzen.

Was ist PALFINGER während der Krise besonders gut gelungen?

Andreas Klauser: Wir haben unmittelbar alle Schritte eingeleitet, um als produzierendes Unternehmen drei Hauptziele zu erreichen: Den Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeiter, die kurzfristige Liquiditätsoptimierung – da kann Felix noch mehr sagen –, und die langfristige Absicherung unseres Unternehmens und damit der Arbeitsplätze. Dazu kommt natürlich noch die Verlässlichkeit unseren Partnern und Kunden gegenüber. Um das zu erreichen, haben wir einen Drei-Stufen-Plan eingeführt, der es uns während der Krise und darüber hinaus ermöglicht, effizient und flexibel zu operieren.

Felix Strohbichler: Wie Andreas bereits erwähnt hat: Die Liquiditätsoptimierung hatte in der ersten Zeit Top-Priorität. Wir konnten kurzfristig zusätzliche Kreditlinien sichern, das Working Capital verbessern, Fixkosten reduzieren sowie Steuerstundungen und die Angebote von Kurzarbeitsmodellen nutzen. Dazu kommt, dass wir Projektpriorisierungen vorgenommen haben, also jedes Projekt und jede geplante Investition nochmals auf den Prüfstand gestellt haben. Wir sind zu keinem Zeitpunkt Gefahr gelaufen, durch die Krise in finanzielle Schieflage zu geraten. Wir waren auch während des Höhepunkts der Krise immer ein absolut stabiles Unternehmen mit hoher Liquidität und jederzeit in der Lage, unseren Verpflichtungen nachzukommen.

Martin Zehnder: Was Felix hier schildert, gilt genauso für die Produktion. Neben der Liquiditätsoptimierung und der Gesundheit war sie die dritte Top-Priorität. Unser Ziel war es, unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden und Partnern einzuhalten. Also mussten wir auf Basis von Lieferengpässen, Marktnachfrage und Kurzarbeit die Kapazitäten in unseren Werken abstimmen. Unser großer Vorteil ist unser Footprint: Die Regionen konnten sich gegenseitig bei Ausfällen beliefern, so dass PALFINGER immer lieferfähig war. Wir haben es geschafft, dass PALFINGER einen äußerst kurzen Shutdown einiger Werke durchlief und mit Ende April die Produktion abgestimmt wieder hochfahren konnte. Möglich war das auch dank unserer Hygienekonzepte in der Produktion, die vom Maskentragen über Abstand am Arbeitsplatz und regelmäßige Temperaturmessungen bis hin zu Schulungen und Kommunikation reichten. Mit dem zusätzlichen Erfolg, dass wir verhindern konnten, dass Mitarbeiter einander gegenseitig anstecken. Alles das war die Basis, ab dem dritten Quartal die konjunkturelle Erholung nutzen zu können.

Sie haben sehr früh eine eigene Task Force eingerichtet. Was waren die zentralen Aufgaben und wie hat die Zusammenarbeit innerhalb der Strukturen funktioniert?

Andreas Klauser: Die Task Force haben wir eingerichtet, als wir durch unsere Werke in China frühzeitig erkannt haben, dass COVID-19 ein Problem werden wird, das wir aktiv managen müssen. Die drei wesentlichen Aufgaben haben wir schon genannt. Der zentrale, alles verbindende Auftrag war, PALFINGER zu jeder Zeit und unter allen Umständen handlungsfähig zu halten. Oberste Priorität war, schnell und umfassend zu reagieren. Essenziell war, dass der Fokus auf die gemeinsamen Aufgaben, die enge Zusammenarbeit und die proaktive Steuerung durch die Gruppe vom ersten Moment an funktioniert haben. Bis Ende Mai 2020 hat die Task Force über 220 Maßnahmen in den Bereichen „Gesundheit und Sicherheit“, „Produktion und Betriebssteuerung“ sowie „Liquiditätsoptimierung“ erarbeitet, die durch das Management umgesetzt worden sind. Das ist ein weiterer wesentlicher Punkt: Jeder im Unternehmen wusste, was wann und wie zu tun ist. Der Informationsfluss hat funktioniert, die Abstimmung untereinander, die Arbeit miteinander. Auf allen Ebenen, das ist mir wichtig. Wir haben unsere Maßnahmen immer o_ en kommuniziert, wir haben uns allen Fragen gestellt. Offenheit ist ein wichtiges Element für jedes Unternehmen. In einer Situation, wie sie durch COVID-19 herbeigeführt wurde, ist sie überlebensnotwendig. Nur wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, lassen sich die großen und schwierigen Herausforderungen bewältigen.

Interne Maßnahmen sind das eine, aber wie konnten Sie die Supply Chain durch externe Lieferanten während des Lockdowns aufrechterhalten?

Martin Zehnder: Was sich hier besonders bewährt hat, ist unser weltweites „Double and Multiple Sourcing“, durch das wir in der Lage sind, Engpässe rasch zu erkennen und flexibel zu umgehen. In den kommenden Jahren werden wir auf diesen Aspekt noch mehr Wert legen. Essenziell ist die gelebte Nähe zu unseren Lieferanten, die wie wir eine schwierige Zeit erlebten. Gerade während der Krise waren sie mit großen Schwankungen konfrontiert und mussten höchst flexibel sein. Mit den meisten verbindet uns eine langjährige Partnerschaft. Gemeinsam schwierige Herausforderungen zu meistern, ist wichtiger als aus einer Situation schnell kurzfristigen Nutzen zu ziehen.

Die raschen Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität waren erfolgreich. Haben sie auch längerfristig Folgen?

Felix Strohbichler: Unsere Nettofinanzverschuldung hat den tiefsten Stand seit 2013 unter Berücksichtigung des Effekts von IFRS 16 erreicht. Darauf können wir stolz sein. Wir haben die Bilanz von PALFINGER durch die Maßnahmen grundlegend gestärkt. Wir sind jetzt, nach dem Krisenjahr 2020, in der Lage, aus eigener Kraft das größte Investitionsprogramm der Unternehmensgeschichte von PALFINGER zu starten. Wir haben 2020 auch genutzt, um Prozessoptimierungen durchzuführen. Beispielsweise verschafft uns der Sales and Operations Planning Prozess global volle Transparenz und ermöglicht eine zukunftsgerichtete Unternehmenssteuerung. Zusätzlich verhandeln wir mit unserem Partner SANY HEAVY INDUSTRIES eine Entflechtung unserer komplexen Geschäftsverbindungen. Durch die geplante Auflösung der Kreuzbeteiligung und indem wir uns auf die wesentlichen Aspekte unserer Partnerschaft konzentrieren, verfolgen wir das Ziel, zusätzliche Finanzmittel zu generieren und unseren Handlungsspielraum deutlich zu erweitern.

Andreas Klauser: Was Felix und Martin hier ansprechen ist eine wichtige Botschaft: Wir haben bei allen unseren Maßnahmen immer die Zeit nach der Krise mitgedacht. Es geht nicht nur darum, eine unmittelbare Situation zu meistern, es kommt darauf an, die Zukunft zu gestalten. Das ist unser Anspruch, an dem wir uns messen. Insofern war COVID-19 ein Turbo der Veränderung, den wir gezielt nutzen. Nur ein Beispiel: Wir haben im Oktober mit der PALFINGER World Tour ein digitales Format der direkten Kommunikation mit unseren Partnern weltweit aufgesetzt. Drei Tage lang konnten unsere Gäste aus Europa, Russland und China interaktiv an Diskussionen und Produktpräsentationen teilnehmen. Unter dem Motto „Challenge Accepted“ konnten wir zeigen, wie wir die Nähe zu unseren Kunden und Partnern nutzen, um gemeinsam mit ihnen zukunftsgerichtete, innovative Lösungen zu entwickeln. Wir werden dieses Format 2021 weiterführen. Wir nutzen unsere technologische Kompetenz, um gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern die besten Lösungen für ihre Herausforderungen zu entwickeln.

Das heißt, PALFINGER erweitert seine Angebotspalette?

Andreas Klauser: Wir ergänzen unsere Kompetenzen und bauen sie aus. Wir nutzen unsere Stärken, um sie unseren Partnern zur Verfügung zu stellen. Wir schaffen jeden Tag gemeinsam mit ihnen Mehrwert und gestalten gemeinsam mit ihnen die Zukunft.

Martin Zehnder: Das bedeutet, dass wir ganzheitliche Lösungen entwickeln. Unsere Kunden wollen mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich sein. PALFINGER unterstützt sie dabei optimal. Das können wir, weil wir uns intensiv mit ihnen, mit ihrem Bedarf und ihrer Branche auseinandersetzen, wir versetzen uns in ihre Lage. Und: Wir bieten ihnen mehr als nur ein Produkt, wir bieten ihnen Gesamtlösungen. Benötigt etwa ein Kunde einen Kran auf einem LKW, muss dieses Gesamtpaket auf seine persönlichen Anforderungen hin optimiert sein. Mit anderen Worten: Ich bin nicht mit dem Kran erfolgreich, sondern mit dem System Kranfahrzeug. Zu einer ganzheitlichen Lösung zählen auch sämtliche Aspekte des Megatrends Nachhaltigkeit, die wir in allen unseren Lösungen und Angeboten integrieren.

Andreas Klauser: Hier spielt unser Investitionsprogramm eine wesentliche Rolle. Wir bauen mit dem PALFINGER Campus in Lengau die interne Aus- und Weiterbildung aus und wir stärken mit einem neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum unsere Innovationskapazitäten. So sind wir in der Lage, unseren Kunden und Partnern die jeweils besten Lösungen zu bieten.

Sie haben bei allen Schritten und Maßnahmen 2020 immer die Zukunft mitgedacht. Was erwarten Sie für das kommende Jahr?

Felix Strohbichler: 2021 sind wir wieder auf Wachstumskurs. Die wichtigen Kernmärkte Europa, Nordamerika und Russland werden sich schnell erholen. Bei aller gebotenen Vorsicht erwarte ich, dass wir uns 2021 in Umsatz und Profitabilität an unser Rekordjahr 2019 annähern. PALFINGER ist voll auf Kurs, die Finanzziele – zwei Milliarden Euro Umsatz über organisches Wachstum, zehn Prozent durchschnittliche EBIT-Marge und zehn Prozent durchschnittlicher ROCE über den Wirtschaftszyklus – bis 2024 zu erreichen.

Martin Zehnder: Wir werden 2021 die Transformation aktiv weiter vorantreiben und die nächsten großen Themen wie Nachhaltigkeit noch intensiver aufgreifen. Unter anderem untersuchen wir, wie Nachhaltigkeit und die 1,5-Grad-Wirtschaft unsere Produkte, Lösungen und unser Geschäftsmodel beeinflussen und formulieren Ziele und Antworten.

Andreas Klauser: 2021 wird über weite Strecken von den Auswirkungen der Gesundheits- und Wirtschaftskrise geprägt sein. Diesen Herausforderungen stellen wir uns. Wir sind gut aufgestellt, wir sind motiviert, wir haben alle Möglichkeiten, das Jahr 2021 proaktiv zu gestalten. Das werden wir tun – gemeinsam mit unseren Mitarbeitern, Investoren, Partnern und Kunden. Challenge Accepted.

Vielen Dank für das Gespräch.